Viele Wünsche für eine lebenswerte Welt
Schülerinnen und Schüler gestalten zum Luther-Jubiläum 49 Türen mit eigenen Thesen Osnabrück, 29. August 2017 Kirche – das verbinden viele Menschen mit Stille und Ruhe. Auf dem Osnabrücker Domplatz aber geht es lebhaft und bunt zu bei der Kulturnacht 2017. Türen werden geöffnet, Texte laut vorgelesen, es wird gelacht und gerätselt und auch Hammerschläge sind zu hören: Schülerinnen und Schüler aller Schulformen aus Stadt und Landkreis Osnabrück haben 49 Türen gestaltet anlässlich des Reformationsjahres. Zur Kulturnacht wurden sie erstmals öffentlich gezeigt mit den „Thesen“, die die Kinder und Jugendlichen mit Blick auf ihre Lebenswelt entwickelt haben. Dafür haben sie sich auch mit den 95 Thesen Martin Luthers beschäftigt, die er vor 500 Jahren in Wittenberg an die Tür der Schlosskirche genagelt haben soll. „Zu Beginn waren die Türen nackt, jetzt bietet sich uns ein buntes Bild. Ich finde es klasse, wie ihr das ausdrückt, was in euren Köpfen ist“, sagt Michael Prior bei der Vorstellung zu den Schülerinnen und Schülern. Prior ist Geschäftsführer der Friedel & Gisela Bohnenkamp-Stiftung, die das Projekt „Türen in die Zukunft“ finanziert hat.
„Wir haben uns überlegt, wo wir Reformationsbedarf sehen“, sagt die 18-jährige Chiara. Vor allem die Integration von Randgruppen, aber auch Hilfsbereitschaft, die Rolle der Frauen in der katholischen Kirche und das Zölibat haben sie und ihre Mitschüler aus den Stufen 12 und 13 der Berufsbildenden Schulen am Schölerberg beschäftigt. Ihre Wünsche haben die Jugendlichen auf Zetteln an ihre Holztür gepinnt. Und auch eine Schaufensterpuppe haben sie gestaltet. Sie zeigt, dass manche Menschen aus Unsicherheit nicht ihr wahres Gesicht zeigen. Die Puppe steht vor der geöffneten Tür, um zu verdeutlichen, dass es Mut braucht, um einen neuen Weg zu beschreiten.
„Vor den Sommerferien haben wir uns damit beschäftigt, wer Luther ist und was er gemacht hat“, sagt Sigrid von der Grundschule Sutthausen. Nach den Ferien sei es dann ans Gestalten gegangen, erläutern ihre Mitschüler Anton, Justin und Jari: Thesen formulieren, sich überlegen, wie die Tür aussehen soll und sie dann mit den Holzstückchen versehen, auf die die Kinder ihre Gedanken geschrieben haben. „Wir wollen uns vertragen und gegenseitig akzeptieren“, „... dass keine Wälder mehr abgeholzt werden“ und „... uns mehr für Flüchtlinge einsetzen“ sind drei der Wünsche, die Schülerinnen und Schüler aller Klassen der Grundschule Sutthausen schließlich an ihre Tür geheftet haben. Sie zeigt die Lutherrose und die Wünsche auf der einen Seite. Auf der anderen Seite ist ein von einer Lehrerin skizzierter Luther zu sehen, den die Kinder angemalt haben. Auf der schwarzen Tür der Alexanderschule aus Wallenhorst werden Terror und Gewalt angeklagt, dahinter öffnet sich der Blick in eine bunte Zukunft. Die Klassen 4a und 4b der Grundschule Borgloh haben eine Tür gestaltet, die auf der einen Seite die jetzige Situation zeigt, mit Umweltverschmutzung und dem Ausschluss dunkelhäutiger Menschen. Auf der anderen ist zu sehen, was die Kinder sich wünschen, beispielsweise ein friedliches Miteinander.
Gebaut wurden die 50 Türen von der Werkgemeinschaft „Die Brücke“ in Bramsche. Sie bietet jungen Menschen, die keinen Ausbildungsplatz erhalten haben, qualifizierende und berufsvorbereitende Kurse an. Gestaltet wurden 49 Türen von Kindern und Jugendlichen unterschiedlichster Schulformen – von der Grundschule bis zur Berufsbildenden Schule – aus Stadt und Landkreis Osnabrück.
Das Projekt wurde von der Trägergemeinschaft „500 Jahre Reformation – Region Osnabrück“ entwickelt: „Ich bin berührt, was ihr auf die Türen gebracht habt“, sagt die Leiterin Brigitte Neuhaus. Die Idee zu den Türen hatte Margret Pannen, Lehrerin an der Erich-Maria-Remarque-Realschule. Ihre Schülerinnen und Schüler haben ihre Gedanken wie einen Chatverlauf bei Whatsapp gestaltet, in der die Integration eines Flüchtlings in die Klasse thematisiert wird, erläutern Melina und Tijara (beide 14).
Die 50. Tür war zu Beginn der Kulturnacht noch leer. Das Hämmern, das über den Domplatz schallte, sollte darauf aufmerksam machen, dass auf ihr die Besucher ihre Wünsche und Thesen annageln konnten.