48 Kinder erforschen zwei Wochen lang die Natur und die deutsche Sprache
Osnabrück, 5. Juli 2017
Nur 30 Sekunden haben die Kinder Zeit, um sich alle Gegenstände zu merken, bevor diese wieder unter einem weißen Tuch verschwinden. Dann laufen die vier Jungen los, um die Blätter, das Moos und die Blüten zu sammeln, die sie sich merken sollten. „Natur-Memory“ heißt diese Station der Wald-Rallye für die 48 Kinder des Sprachsommercamps im Schullandheim Mentrup-Hagen. An sechs Stationen werden sie spielerisch an die Natur herangeführt, die im Alltag vieler Kinder heutzutage kaum mehr eine Rolle spielt. „Mit dieser Station wollen wir sie auffordern, genau hinzusehen und sich zu konzentrieren“, erläutert Josef Gebbe. Der Mitarbeiter des Lernstandorts Noller Schlucht ist verantwortlich für das Umweltbildungsprogramm, nachmittags während des zwei Wochen dauernden Sommercamps angeboten wird. Vormittags befassen sich die Dritt- und Viertklässler mit der deutschen Sprache.
Zum neunten Mal findet in diesem Jahr das Sprachsommercamp „Sprache und Natur auf der Spur“ statt, dieses Jahr im Schullandheim Mentrup-Hagen und erstmals im Haus Ossenbrock/Bissendorf. In den Gebäuden und in der Natur drumherum verbessern Drittklässler mit Zuwanderungsgeschichte wie nebenbei ihre Deutschkenntnisse, bevor sie in die weiterführende Schule wechseln. „Dort ändert sich das Sprachniveau deutlich“, sagt Kristina Urbanovic, die für das Sprachbildungskonzept verantwortlich ist. Die Mitarbeiterin des Vereins zur pädagogischen Arbeit mit Kindern aus Zuwandererfamilien (VPAK) unterstützt gemeinsam mit Studierenden des Lehramts der Universität Osnabrück die Kinder dabei, die deutsche Sprache besser zu beherrschen. Die Sprachkurse und die Angebote in der Natur sind miteinander verknüpft: So hat jedes Kind ein Schatzkästchen für neue Wörter, die es beispielsweise im Wald kennengelernt hat. Im Sprachunterricht befasst es sich dann gemeinsam mit der Kleingruppe näher damit. Zum Beispiel mit den Ameisen. „Die Kinder fanden es sehr interessant, dass es eine Ameisenkönigin gibt – und sie fragten, ob es auch einen Ameisenkönig gibt“, erzählt Josef Gebbe. Aber so ein Tier wäre neu in der Natur.
2008 wurde das Sommercamp erstmals angeboten, das dieses Jahr von der Stadt Osnabrück, dem Landkreis Osnabrück, dem Lernstandort Noller Schlucht, dem Verein zur pädagogischen Arbeit mit Kindern aus Zuwandererfamilien (VPAK) und der Volkshochschule Osnabrücker Land durchgeführt wird. Die Friedel & Gisela Bohnenkamp-Stiftung unterstützt das Sommercamp seit 2010. „Es ist eine wichtige Konstante in unserer Fördertätigkeit, zu der es Anschlussprojekte gibt“, erläutert Michael Prior, der Geschäftsführer der Bohnenkamp-Stiftung. Bedeutend für die Wirksamkeit des Camps sei die gute Vernetzung der Kooperationspartner. „Wie gut das Camp bei den Familien ankommt, beweist, dass auch zahlreiche Kinder kommen, deren ältere Geschwister bereits teilgenommen haben“, sagt Prior. Mittlerweile sind etwa 560 Kinder in den Genuss des Sommercamps gekommen.
Die Mädchen und die Jungen kommen aus 13 Herkunftsländern. „Die Werbung für die Teilnahme läuft über die Schulen“, erläutert Gabriele Grosser von der Stadt Osnabrück, die in diesem Jahr die Projektleitung übernommen hat. Die Lehrerinnen und Lehrer überlegen, welchem Kind eine Teilnahme gut tun würde und stimmen das mit den Eltern ab. Die Teilnahme an dem Programm kostet pro Kind 30 Euro – der überwiegende Teil der Kosten wird von der Bohnenkamp-Stiftung getragen.
Für Maxim spielt das alles keine Rolle. Nach dem Auflösen des Natur-Memorys versteckt er erst einmal ein Blatt hinter einem Gebüsch. „Die anderen Gruppen sollen es so schnell nicht finden“, sagt der Junge. Er ist gern beim Sommercamp dabei. „Wir waren bei der Teufelsquelle, und vor ein paar Tagen haben wir aus Stöcken ein Waldsofa gebaut“, erzählt er. Das mache alles Spaß. Am meisten aber freue er sich, dass immer jemand da ist, mit dem er in den Pausen Fußballspielen kann.