Schüler-Workshop Latinale 2018

Die Latinale ist ein mobiles lateinamerikanisches Poesiefestival, das 2018 zum 12. Mal stattgefunden hat. Gründungs- und Hauptsitz ist Berlin; von dort aus werden jedes Jahr weitere Städte bereist. Seit 2012 gastiert das Festival in Osnabrück. Latinale ist einerseits eine Bühne für lateinamerikanische Lyrik in Deutschland, andererseits handelt es sich bei dem Festival um eine lebendige Plattform für die Übertragung spanisch-, portugiesisch- und anderssprachiger poetischer Texte ins Deutsche. Ein erklärtes Ziel der Latinale ist es, die aktuelle Dichtung aus einem kulturell äußerst faszinierenden Kontinent, Lateinamerika, einem breiten Publikum bekannt zu machen. Dazu kommt, dass die Latinale die Begegnung zwischen Dichter*innen der genannten Region und solchen aus Deutschland und insgesamt aus Europa fördert. Daraus sind seit dem Gründungsjahr 2006 eine große Zahl an interkulturellen Projekten hervorgegangen. Der Berliner Dichter Tom Schulz und der mexikanische Dichter und Übersetzer Daniel Bencomo z.B. arbeiten seit ihrer Begegnung auf der Latinale 2011 kontinuierlich zusammen. Ähnliches gilt für die Berliner Dichterin Odile Kennel und Angélica Freitas oder Érica Zíngano aus Brasilien.

Schülerarbeit der Latinale 2018:

Die Förderung durch die Friedel & Gisela Bohnenkamp-Stiftung im Jahr 2018 hat es möglich gemacht, dass die Latinale erstmalig einen Schwerpunkt auf die Arbeit mit Schüler*innen legen konnte. In vorherigen Editionen der Latinale haben Schülerworkshops neben studentischen Workshops durchaus zum Programm gehört, die Vertiefung dieses Aspekts durch die Dauer von zwei ganzen Tagen und in einem hoch inspirierenden und gleichzeitig ruhigen Ambiente, der Villa Hecker, Sitz der Bohnenkamp-Stiftung, war aber ein Novum. In den Tagen des 23. und 24. Oktober hatten 12 Jugendliche aus Osnabrück die Chance, in ganz engem Kontakt mit poetischen Perspektiven, poetischer Sprache, einer aus dem Unterrichten vertrauten Fremdsprache und vier Dichter*innen zusammenzukommen. Teilnehmer*innen war Schüler*innen unterschiedlicher Klassen des Gymnasiums „in der Wüste“ Osnabrück. Begleitet wurden sie von ihrer Lehrerin Frau Menken. Lehrerin und Schüler*innen haben ein äußerst positives, wenn nicht begeistertes Feedback auf den Workshop gegeben.

Die zwei Workshoptage bauten aufeinander auf. Auf den ersten Tag mit Einführungs- und Begegnungscharakter folgte ein Tag, an dem die Schüler*innen zunehmend eigenständiger und selbstbewusster auf die Dichter*innen und die Textarbeit reagierten. Queen Nzinga Maxwell aus Costa Rica z.B. brachte drei Schülerinnen das Rappen und die Grundzüge des Spoken Word bei. Die Schülerinnen entwickelten dabei einerseits ein neues Gefühl gegenüber ihrer Körpersprache und einen spielerischen Umgang mit poetisch nutzbarer Sprech-Sprache, andererseits eine regelrechte ‚Coolness‘ gegenüber der Fremdsprache Spanisch. Insgesamt haben beide Seiten, Autor*innen und Schüler*innen, eine ausgesprochen harmonische, inspirierende und produktive Begegnung gehabt. In der Chronik, die die Autorin Ethel Barja für die Latinale verfasst hat, heißt es: “Die Zeit mit den Workshopteilnehmer*innen in Osnabrück kam einer kontinuierlichen Entdeckung gleich; ganz unverhofft sind wir auf viele kreative Funken gestoßen.”

Die praktische Umsetzung der poetischen Arbeite im Workshop der Villa Bohnenkamp bestand aus:

1. Vorstellungsrunden zum Thema: habe ich bereits poetische Erfahrungen gemacht? Was ist überhaupt eine poetische Erfahrung? Lese ich Lyrik? In der Schule? Zuhause? Heimlich? Mit jemandem zusammen? Schreibe ich selbst? Würde ich selbst gerne schreiben? Wie fange ich an? Wie geht das? War ich schon einmal auf einer Lyrik- Lesung? Oder auf einem Slam-Wettbewerb? Was frage ich die eingeladenen Dichter*innen? Traue ich mir zu, sie auf Spanisch zu befragen, damit sie erzählen, wie sie das poetische Schreiben begonnen haben und wie sie bis heute dabei vorgehen?

2. einer Vorstellungsrunde, in der die Dichter*innen auf diese Fragen mit eignen Fragen antworteten: Wie funktioniert die deutsche Sprache? Wie können wir eine Brücke zwischen Deutsch und Spanisch bauen? Was kann uns helfen, Sprachbarrieren zu überwinden? En Foto, das wir zusammen machen? Der Einsatz einer Wörterbuch-App? Gestik, Körpersprache? Musik? Eine Zeichnung, die wir gemeinsam erstellen? Eine Collage?

3. Zunehmend lockeren kleineren Arbeitskreisen, in denen gerappt, gefilmt, geschrieben, übersetzt und gebastelt wurde. Die jeweilige(n) Methode(n) wurden von den Dichter*innen vorgeschlagen und dann gemeinsam beschlossen. Die ‚Produkte‘ dieses Arbeitens wurden in Zwischenzusammenfassungen in der größeren Runde antizipiert. Nach einem Essensausflug in den Zoo und der Ansicht von professionellen Poetryfilmen und der Rezitation von Texten der Dichter*innen wurde weiter gearbeitet – und am Ende wurden begeistert alle Ergebnisse vorgestellt. Diese Vorstellungsrunde findet sich in mehreren Videos aufgezeichnet.

 

Die Gäste in Osnabrück waren:

Queen Nzinga Maxwell (bürgerlicher Name: Wendy Maxwell), Dichterin und Künstlerin aus Costa Rica

Ethel Barja, Dichterin und Literaturwissenschaftlerin aus Peru

Diana Garza Islas, Dichterin und Literaturwissenschaftlerin aus Mexiko

Yojan Murcia, Dichter aus Kolumbien

 

Die Ergebnisse sind außerdem auf dem Blog mit dem Titel ‚latinale.académica‘ unter http://latinale-academica.eu/lateinamerikanische-lyrik-an-schulen-lesen/einsehbar.

 

Veröffentlichungen:

Neben dem Latinale-Blog (www.latinale.de), der die Dichter*innen jedes Jahres sowie das Gesamtprogramm des Festivals ankündigt, sind die Berichte und Produkte der Latinale 2018 Osnabrück auf dem Blog latinale-academica.eu veröffentlicht. Latinale académica ist ein an der Universität Osnabrück angesiedeltes Forschungsprojekt, welches sich literaturwissenschaftlich und poetisch-audio-visuell mit lyrischen Texten befasst. Der Blog ist eine dynamische Plattform, eine Sammlung von Texten über lateinamerikanische Lyrik, verfasst von Literaturwissenschaftler*innen, Dichter*innen, Studierenden – und nun auch von Schüler*innen. Dieser Blog stellt die virtuelle, hypertextuelle Anthologie der Latinale 2018 dar. Ihr Schwerpunkt liegt in der Lyrik-Didaktik. Eine weitere Anthologie der Latinale 2018 wird im Verlag der Universidad del Norte in Barranquilla, Kolumbien, auf Spanisch und teilweise Englisch erscheinen. Mit dieser Universität steht Latinale in wissenschaftlichem Austausch. Die Studierenden der Universität Osnabrück und anderen Universtäten, die sich an dieser internationalen Publikation beteiligt haben, haben u.a. als Scouts für den Workshop in der Bohnenkamp-Stiftung fungiert. Sie haben hier ihr Wissen ‚live‘ weitergegeben, in dem sie die Schüler*innen in ihre Begegnung mit den Autor*innen begleitet haben. Mit dem Buch hinterlassen diese jungen Lyrik-Forscher*innen nun ein dauerhaftes Zeugnis, das in einschlägigen Bibliotheken zugänglich sein wird.  Außerdem eröffnet dieser Austausch eine Perspektive für Schüler*innen, die in baldiger Zukunft Lateinamerika persönlich kennenlernen wollen. In Barranquilla gibt es eine Deutsche Schule, und die Universidad del Norte unterhält eine Partnerschaft mit der Universität Osnabrück.