Kniffliges Sprachspiel
Beim großen Diktatwettbewerb „Osnabrück schreibt“ rauchten die Köpfe
Osnabrück, 27. Februar 2015
Kaum lässt der Beamer mit „Wo beizeiten sonntagvormittags“ den ersten Teil des Diktats aufleuchten, ist ein kollektives „Oohhh!“ in der Kunsthalle zu hören. Kniffelig war es, was die Dudenredaktion für den großen Diktatwettbewerb „Osnabrück schreibt“ formuliert hat. 200 Wörter, die es in sich hatten. Und so hat niemand der 70 Mitschreiber mit null Fehlern gewonnen. Thomas Allewelt, Lehrer am Osnabrücker Gymnasium „In der Wüste“ war mit nur sieben Fehlern der beste Teilnehmer aus vier Gruppen: Zusammen mit den Siegern aus den Sparten Schüler, Eltern und Publikum wird der Pädagoge am 5. Mai bei der Endausscheidung des Wettbewerbs in Frankfurt am Main teilnehmen.
Der große Diktatwettbewerb hat zeitgleich in Hamburg und in Hessen stattgefunden, dorthin gab es Liveschaltungen. Entwickelt wurde er von der Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt am Main im Jahr 2012. Veranstalterin in Osnabrück war die Friedel & Gisela Bohnenkamp-Stiftung. „Es freut unsere Stiftung, wie viel Aufmerksamkeit dieser Wettbewerb für das Thema Sprache und Rechtschreibung erzeugt hat“, sagte Michael Prior, der Geschäftsführer der Stiftung.
So präzise Loriot in seiner Arbeit auch war, dieses Mal hatte er unrecht. Der Humorist hat einmal gesagt, dass man die deutsche Sprache nicht zu sehr vereinfachen dürfe. Diese Befürchtung hatte wohl keiner der Teilnehmer, die alle mucksmäuschenstill den Worten von Christina Noack folgten. Die Germanistik-Professorin der Universität Osnabrück trug das Diktat vor, das bis kurz vor der Veranstaltung unter Verschluss gehalten worden war. Niemand sollte einen Vorteil haben, bis es hieß „Los geht´s!“, und auch deshalb waren alle Hilfsmittel verboten: „Handys aus, abschreiben ist unsportlich“, hieß es zu Beginn. Dann beugten sich die Köpfe von Politikern, Schulleitern, Rentnern, Kunstpädagogen, Journalisten und vor allem Kindern und Jugendlichen über das Diktatpapier. Der Wettbewerb richtete sich an Oberstufenschüler, mitmachen konnten aber alle, die ihre Kenntnisse der deutschen Rechtschreibung prüfen wollten. Die jüngste Teilnehmerin war die neunjährige Safia Marnissi, die gemeinsam mit ihrem Bruder Sofiene (12), ihrer elfjährigen Cousine und ihrem zwölfjährigen Cousin eifrig mitschrieb. „Deutsch und Kunst sind meine Lieblingsfächer“, sagte das Mädchen. Und so habe sie nichts dagegen gehabt, als ihre Mutter sie für den großen Diktatwettbewerb angemeldet hat. Belohnt wurden die vier dafür mit einem Buchgutschein, den Michael Prior mit großem Respekt für ihre Leistung überreichte. Nach dem Wettbewerb stärkten sich die vier wie die anderen Gäste am Buffet, das die Schülerfirma „Schülerzauber“ der Paul-Moor-Schule Bersenbrück mit allerlei Buchstabengebäck bestückt hatte. Nach einer ersten Selbstkorrektur überreichten die Teilnehmer der siebenköpfigen Jury ihre Mitschriften, die die Texte prüfte und die Sieger feststellte. In dieser Zeit unterhielt das Improvisations-Theater „Improvisorium“ das Publikum, das sich der präzisen Schreibweise an einem Ort widmete, der ganz zentral für die Entwicklung der Schrift ist, wie Julia Draganovic betonte: „Die Geburtsstunde des Schreibens liegt in den Klöstern“, sagte die Leiterin der Kunsthalle Osnabrück bei der Begrüßung. Dann griff auch Draganovic zum Stift und stellte sich dem Wettbewerb im ehemaligen Dominikanerkloster. „Ich glaube, ich muss nochmal zur Schule“, sagte eine Frau mittleren Alters bei der gemeinsamen Korrektur. Aber mit dem Schulabschluss ist das ja zum Glück anders als mit dem Führerschein: Wer ihn einmal hat, braucht ihn nie wieder herzugeben.